HEINRICH HARRER IN TIBET 1943

Von meinem OPA WILLI GRAVE bekam ich zur Konfirmation 1964 das Buch SIEBEN JAHRE TIBET von 1953 mit Widmung geschenkt, wo er das her hatte kann ich nicht sagen, denn er war auch ein „Geschichtenerzähler“; aber nicht wie ich, ein „Storyteller“; – und ich konnte ihm nicht alles glauben, denn bis zu diesem Zeitpunkt hatte er mich schon zu oft verarscht.
Dieses Buch hat mich mein leben lang begleitet und zählt für mich zu meinen Schätzen. Tibet, dieses große, zu der Zeit, unberührte Land.
SVEN HEDIN, 1893-1897, hat es bereist, aber HEINRICH HARRER hat 7 Jahre dort gelebt.
Ich habe „EREHWON“ den ersten deutschen Comic dort angesiedelt; – und auch „DIE SPUREN DER GÖTTER“ die 5 Bändige Comic Serie.
Das Buch „DER VERLORENE HORIZONT“ von JOHN HILTON 1933 und der Film „SHANGRI-LAH“ spielt in diesem unwirklichen Land;– und SH der DALAI LAMA, zwei mal habe ich ihn in Hamburg gesehen und an seinen Sitzungen teilgenommen. All diese Figuren habe ich seit dem Geschenk mit mir herum getragen und auch über die Jahre für mich damit ge und verarbeitet.

Und hier ist noch eine Arbeit, die wieder aufgetaucht ist…

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Er will die Welt sehen, lässt sich mit den Nazis ein und wird der Freund des DALAI LAMA:
Vor 100 Jahren wurde HEINRICH HARRER geboren, dem Hollywood ein Denkmal setzte.

Sieben Jahre in Tibet machen HEINRICH HARRER weltberühmt. Nicht sofort, nicht 1952, als er sein gleichnamiges Buch veröffentlicht, mit dem Untertitel Mein Leben am Hofe des DALAI LAMA. Erst 1997, als Regisseur JEAN-JACQUES ANNAUD es verfilmt, mit Landschaftsbildern aus Kanada, den Anden und ein bisschen auch aus dem Himalaja, Musik von Star – Wars – Komponist JOHN WILLIAMS und mit BRAD PITT, dem jungen Schönen Hollywoods, in der Rolle des feschen Bergsteigers aus Österreich.

Daheim, in den Alpen und bei Bergsteigern, ist HARRER da schon lange bekannt: seit dem 24. Juli 1938, als er und drei andere Alpinisten als erste die Nordwand des Eiger bezwingen, die schon so viele das Leben gekostet hat. Da hat HARRER, geboren am 6. Juli 1912 in einem Dorf in Kärnten als Sohn eines Postbeamten, gerade sein Staatsexamen als Gymnasiallehrer für Erdkunde und Sport abgelegt.

ADOLF HITLER hat 1936 bei den Olymoischen Spielen in Berlin und Garmisch-Partenkirchen dem Bezwinger der Eiger-Nordwand eine Goldmedaille versprochen. Medienwirksam empfängt er die deutsch-österreichische Seilschaft: Der „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich bahnt sich an, der gemeinsame Erfolg ist ein willkommenes Motiv für die NS-Propaganda.

Eine SA-Lüge für die Heirat?
HARRER ist schon vor dem „Anschluss“, seit dem Frühjahr 1938, Mitglied der NSDAP und der SS. In seinem 1938 verfassten Antrag auf Erlaubnis zur Eheschließung mit LOTTE WEGENER, der Tochter des 1930 in Grönland verstorbenen deutschen Polarforschers und ALFRED WEGENER, schreibt HARRER sogar, er sei schon seit 1933 in der Sturmabteilung der NSDAP gewesen, der SA.

Auf diese braunen Flecken in der Vita des ewigen Reisenden fällt erst Licht, als der Hollywood-Film erscheint. HARRER hat sie in all seinen Büchern nie thematisiert. 1997 sagt er von sich, „ich habe ein reines Gewissen“. Den SS-Rang habe er als Sporttrainer bekommen: Er soll die Damen-Ski-Nationalmannschaft Österreichs trainieren, kommt aber nicht mehr dazu, weil er zu seiner ersten Expedition aufbricht. HARRER läuft Ski, seit er 17 ist, und hätte um ein Haar an der Winterolympiade 1936 teilgenommen.

In die NSDAP sei er nur eingetreten, um Lehrer werden zu können, erklärt HARRER. Die angebliche SA-Mitgliedschaft sei gelogen gewesen, um die Heiratserlaubnis leichter zu erhalten. Und er habe auf Unterstützung für seine Expeditionspläne gehofft: „Die Wahrheit ist, dass ich ein junger armer Schlucker aus Kärnten war, der sich als Abenteurer und Forscher verwirklichen wollte“, sagt der Spiegel.

Das gelingt – mit Hindernissen. Die Deutsche Himalaja – Stiftung schickt ihn 1939 auf eine Erkundungsexpedition zum Nanga Parbat**. Nach dem Eintritt Großbritanniens in den Zweiten Weltkrieg allerdings werden HARRER und seine Kollegen im damaligen Britisch – Indien als feindliche Ausländer interniert.

Einer Gruppe gelingt 1944 der Ausbruch. Mit PETER AUFSCHNAITER schlägt HARRER sich nach Tibet durch, erreicht fast zwei Jahre und mehr als 2.000 Kilometer später im Januar 1946 das religiöse Zentrum Lhasa. Tibet ist rückständig und neugierig auf das Wissen der Moderne: AUFSCHNAITER wird Berater der Regierung, hilft Abwassergräben bauen, Aufforsten, die Ernte verbessern. HARRER arbeitet als Übersetzer und Fotograf.

Und dann kommt der Grund, warum Hollywood 50 Jahre später einen Film über ihn dreht: Er freundet sich mit einem elfjährigen Mönchsjungen an, TENDZIN GYATSHO, dem 14. DALAI LAMA. HARRER unterrichtet ihn ein bisschen, sie zerlegen Uhren zusammen, und der Österreicher baut dem religiösen Oberhaupt der Tibeter ein Kino.

Anfang 1950 beschließt China, Tibet zu „befreien“, erobert im Oktober erste tibetische Städte. Tibets kleine Armee kapituliert. Der DALAI LAMA, 15 Jahre alt, flieht nach Indien, und HARRER flieht mit ihm. Während der Tibeter noch einmal nach Lhasa zurückkehrt, bevor sich 1959 die Exilregierung in Dharamsala einrichtet, reist HARRER nach Europa aus und schreibt sein Buch über sieben Jahre in Tibet. LOTTE hat sich in seiner Abwesenheit von ihm scheiden lassen; er hat einen Sohn, den er jetzt zum ersten Mal sieht. HARRER heiratet noch zwei Mal.

Sein Buch wird ein Bestseller und macht HARRER bekannt genug, um ihm das Leben zu ermöglichen, von dem er geträumt hat: Er besucht die Quellen des Amazonas mit dem früheren König Belgiens, LEOPOLD III., besteigt als erster Berge in Alaska, in den Anden, Zentralafrika und auf Neu-Guinea, unternimmt eine Weltreise und Expeditionen in Afrika, Asien, Ozeanien und Südamerika. Das deutsche Fernsehpublikum nimmt er mit, von 1965 bis 1983 läuft seine Sendung HEINRICH HARRER berichtet in der ARD.

Als der Rummel um den ANNAUD-Film losbricht, lebt HARRER wieder in seiner Heimat, in der Marktgemeinde Hüttenberg im Kärntner Bezirk St. Veit/Glan. Zu seinem 80. und 90. Geburtstag besucht ihn der Dalai Lama, der am selben Tag Geburtstag hat. In Hüttenberg entsteht ein Tibet-Zentrum, dessen Eröffnung HARRER aber nicht mehr erlebt.
Am 7. Januar 2006 teilt HARRERs Familie den Medien mit, er habe „mit großer Ruhe seine letzte Expedition angetreten“. Der „arme Schlucker aus Kärnten“ hat die Welt gesehen – und wird in seinem Heimatdorf beigesetzt.

Von Hellmuth Vensky 06 Juli 2012 die ZEIT

** NANGA PARBAT

Der 8125 Meter hohe Nanga Parbat in Kaschmir trägt den Beinamen „Schicksalsberg der Deutschen“. Seit den dreißiger Jahren versuchen deutsche Bergsteiger, von der Propaganda angefeuert, nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg wenigstens alpinistische Siege zu erringen. Auf den Mount Everest lassen die Briten sie nicht, deshalb wird ihr Ziel der Nanga Parbat. Doch mehrere Expeditionen scheitern tragisch. Das Team um HARRER und AUFSCHNAITER will nicht zum Gipfel, es soll nur eine mögliche Route erkunden. Erst 1953 erklimmt ein Tiroler als erster die Spitze des Berges.